Dieter
Prokop (2011): Die Kreativität
des negativen Denkens. Tectum Verlag, Marburg / / ISBN: 978-3-8288-2734-9
Negativ denkt man,
wenn etwas anders werden könnte
Du suchst dein Glück.
Du hast Wut auf etwas. Du nimmst Widersprüche
wahr.
Du bist zu intelligent, um dich mit Sprüchen zu begnügen wie
'Man muss eben positiv denken' oder 'Unser Schicksal steht in den Sternen'.
Du willst deine Suche nach dem Glück realistisch angehen. Du willst
deine Wut, deine Wahrnehmung artikulieren, durchdenken.
So kann der Ausgangspunkt für negatives Denken aussehen.
Das ist kein rein subjektiver
Ausgangspunkt! Es ist zugleich ein objektiver, denn es gibt da eine
Sache, ein Etwas: Man hat Wut auf etwas oder man
hat etwas in seiner Widersprüchlichkeit beobachtet. Und man möchte
seine Wut oder Skepsis begründen, man sucht nach deren Objektivierung.
Negatives Denken ist keine Empfindung, keine subjektive Haltung! Negatives
Denken ist Arbeit an einer Sache, Arbeit mit einem Material. Man leistet
Denkarbeit, entwickelt Realitätssinn.
Es wäre falsch, würde man negatives Denken als Pessimismus
identifizieren und glauben, die Lösung aller Probleme sei erreicht,
wenn man an den Optimismus glaubt.
Wenn der Schriftsteller Dan Greenburg in seinem humorigen Lebensberatungs-Büchlein
Die Kunst, sich schlecht zu fühlen (2002) lustig schreibt: "Negatives
Denken ist die Fähigkeit, sich ein kleines Liebesnest vorzustellen,
an das sich Rosen schmiegen, und dabei nur Hypotheken und Rosenkrankheiten
im Kopf zu haben. Es ist die Fähigkeit, Trübsinn zu kultivieren,
immer auf der düsteren Seite des Lebens zu wandeln und Sorgen nicht
an der Türschwelle zurückzulassen." (A.a.O.: 20, Kursivierungen
im Original)
- dann lehnen wir das ganz humorlos ab! Warum soll es zu Trübsinn
führen, wenn man denkt? Man denkt schließlich, um mehr vom
Leben zu erfahren, mehr zu wissen! Das macht nicht trübsinnig, sondern
glücklich!
Natürlich können Gefühle der Ausgangspunkt für negatives
Denkens sein, aber wieso sollen das trübsinnige sein?
Wer negativ denkt, ist zu
schlau, um sich mit pessimistischen Sprüchen
wie; 'Wenn etwas schieflaufen kann, dann läuft es auch schief' zufrieden
zu geben.
Oder mit optimistischen Sprüchen wie: 'Wir leben in der besten aller
möglichen Welten' oder 'Alles wird gut'.
Wer negativ denkt, möchte Denkarbeit leisten und Realitätssinn
entwickeln.
Das wollen wir untersuchen.
Ein Dialog:
Warum ist negatives Denken überhaupt von Interesse?
DER POSITIVE "Wollen
wir nicht alle positiv sein, positiv denken?"
DER AUTOR "Wir alle wollen glücklich sein. Glücklich wird
man nur, wenn man im Alltag einen gewissen Realitätssinn entwickelt.
Und wer realistisch denkt, denkt negativ."
DER POSITIVE "Wer will denn negativ sein? Schließlich wünschen
wir uns alle 'Einen schönen Tag noch' und nicht 'Einen hässlichen
Tag noch'."
DER AUTOR "Jeder Mensch, der mit offenen Augen durchs Leben geht,
denkt negativ."
DER POSITIVE "Nur Misantropen und Nihilisten, Nörgler und Sauertöpfe
denken negativ."
DER AUTOR "Leute mit Realitätssinn denken negativ. Wir werden
in diesem Buch die Dimensionen dieses Realitätssinns herausarbeiten."
DER POSITIVE "Können Sie nicht in einem Satz sagen, was Sie
uns sagen wollen?"
DER AUTOR "Wenn Sie das wollen, hier das ganze Buch in einem Satz:
Negatives Denken ist 1. analytisch; 2. es ist moralisch; 3. es beobachtet
realistisch und nimmt das Unterdrückte und das Mögliche wahr;
4. es sucht Lebendigkeit und Glück; 5. negatives Denken sucht die
Vergleichbarkeit und rationale Identität der Sachen; 6. es sucht
Angemessenheit; 7. es ist kreative konstellative Arbeit mit dem vorhandenen
Material."
DER POSITIVE "Negatives Denken braucht kein Mensch."
DER AUTOR "Es gibt Leute, die wollen lebenstüchtiger werden,
und die sollen mein Buch lesen. Das Buch ist ein wissenschaftliches Buch,
kein Lebensberatungs-Buch, aber auch wissenschaftliche Bücher können
nützlich sein."
DER POSITIVE "'Lebenstüchtig' wird man ganz einfach: Man muss
nur positiv denken."
DER AUTOR "Wenn Sie 'denken' sagen, meinen Sie 'fühlen', 'empfinden'.
Von Denken kann man nur reden, wenn jemand wirklich denkt, also analytisch
vorgeht und den Sachen gerecht werden möchte."
DER POSITIVE "Ihr Begriff von 'Denken' ist alteuropäisch. Das
ist längt überholt. Neuerdings zeigt uns die Hirnforschung,
dass der Mensch von unbewussten Gefühlen determiniert ist, denn
die Hirnströme im limbischen System sind Millisekunden vorher da,
bevor ..."
DER AUTOR "Ich muss Sie leider unterbrechen, offenbar wollen meine
unbewussten Hirnströme, dass ich jetzt anfange."
Das Literaturverzeichnis ist
in dem Buch nachschlagbar.
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